Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Die Phytotherapie gehört zu den naturheilkundlichen Verfahren und ist wissenschaftlich und Evidenz basiert anerkannt. Einige Heilpflanzen zählen zu den Arzneipflanzen; ihre Zubereitungen sind damit apothekenpflichtig. Andere Heilpflanzen sind „nur“ Bestandteil der Volksheilkunde und werden als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben.

 

Pflanzen sind für den Menschen von enormer Bedeutung. Seit Menschengedanken nutzen wir sie als

  • Nahrung (Weizen, Reis, Mehl, Kartoffeln)
  • Sauerstofflieferant (wir atmen Kohlendioxid aus, die Pflanzen machen in der Photosynthese daraus wieder Sauerstoff)
  • Energielieferant (Brennholz, Kohle, „Bio-Benzin“)
  • Werkstoff (Kleidung, Papier, Holz als Baumaterial)
  • Farbstofflieferanten
  • Genussmittel (Kaffee, Tee, Tabak, Alkohol, Rauschmittel)
  • Zierpflanzen (zur Begrünung, Zimmerpflanzen, Blumen)
  • und eben als Heilmittel

 

Heilpflanzen begleiten uns durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Schon aus den antiken Hochkulturen (China, Indien, Mesopotamien, Ägypten, Griechen, Römer) sind sog. Pflanzen-Monographien überliefert, das sind Sammlungen / Bücher, in denen Heilpflanzen in ihren Wirkungen auf den menschlichen Organismus beschrieben werden und Beschwerdebilder aufgeführt sind, bei denen die jeweilige Pflanze helfen soll. So kommt das Wort „Pharmazie“ z.B. aus dem Griechischen und bedeutet Heilmittel, Medikament, Gift, Zaubermittel. Bei antiken Kulturen, die ihr Wissen nicht schriftlich dokumentiert haben, geht man davon aus, dass auch ihr Wissen um Heilpflanzen von Generation zu Generation mündlich überliefert wurde.

 

Karl der Große erließ im frühen Mittelalter eine Verordnung, nach der über 70 Heil- und Gewürzpflanzen zum Anbau vorgeschrieben waren. In den Klöstern wurden antike Kräuterbücher studiert und abgeschrieben und Kräutergärten angelegt. So entstand die Klostermedizin. Die Räume, in denen die Heilkräuter aufbewahrt wurden, hießen „apotheca“.

 

Im Hochmittelalter dokumentierte Hildegard von Bingen das Wissen ihrer Zeit über die Pflanzenheilkunde. In der frühen Neuzeit lernte Paracelsus, der „Vater der Naturheilkunde“, von Kräuterkundigen Frauen und kam zu dem Schluss „alle Wiesen, Berge und Hügel sind Apotheken“. Im 18. Jahrhundert führte Carl von Linné die Systematisierung und Klassifizierung der Pflanzen ein. Durch diese „lateinische Namensgebung“ wird bis heute sichergestellt, dass wir national und international über dieselbe Pflanze sprechen.

 

Ab dem 20. Jahrhundert werden Naturwissenschaft und Schulmedizin zum Standard. Die Bedeutung der ganzen Pflanze als Heilmittel wird zu Gunsten einzelner klar definierter Wirkstoffe (Monosubstanzen) zurückgedrängt. Dennoch bleibt die Heilpflanzenkunde als „Mutter der modernen Pharmakologie“ parallel erhalten und dient auch heute noch als „Inspiration“ für neue Arzneimittel, z.B. die Salicylsäure aus der Weidenrinde oder die Digitalis-Glykoside aus dem Fingerhut.

 

Gerade hier in Süddeutschland sind wir bezüglich der Pflanzenheilkunde privilegiert: Aufgrund unserer ehemaligen Zugehörigkeit zum römischen Reich und seinen Handelsbeziehungen verfügen wir seit zweitausend Jahren neben unseren einheimischen Heilkräutern auch über die Heilpflanzen des Mittelmeerraumes (z.B. Rosmarin und Lavendel). Durch Handelsbeziehungen mit Asien über die alte Seidenstraße sind uns schon seit Jahrhunderten die Heilpflanzen Indiens (z.B. Curcuma und Weihrauch) und Chinas (z.B. Ginseng) bekannt und seit ein paar Jahrhunderten kamen noch die Heilpflanzen aus der Neuen Welt hinzu (z.B. Traubensilberkerze, Nachtkerze und roter Sonnenhut).

 

Und so können wir diesen reichhaltigen Schatz der Heilpflanzen einsetzen und mit Sebastian Kneipp sagen: „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen